Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Reichweite des Rechts auf Löschung gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO. Hintergrund ist ein Sachverhalt, mit dem sich das Oberlandesgericht Naumburg (Beschl. v. 11.1.2023, Az. Wx 5 14/22) befassen musste. In dem Fall ging es (kurz umrissen) um ein Unternehmen, dessen Gesellschafter die Löschung bzw. Schwärzung ihrer Unterschriften in einer von ihnen eingereichten Gesellschafterliste und auf einer Grundstücksurkunde beantragten.
Bereits am 10. Oktober 2022 wandten sich die Gesellschafter an das zuständige Registergericht und beantragten unter Berufung auf Art. 17 DS-GVO die Schwärzung ihrer Unterschriften in den jeweiligen Dokumenten. Der Antrag wurde kurz darauf vom Gericht abgewiesen, wogegen die Beteiligten Beschwerde einlegten. Diesmal stützten sie sich jedoch auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Registergericht legte die Beschwerde daraufhin dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vor.
Die Entscheidung im Einzelnen
Das Oberlandesgericht Naumburg stellte in seiner Entscheidung fest, dass Art. 17 Abs. 1 DS-GVO aufgrund der Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 3 lit. b) DS-GVO (Widerruf der Einwilligung, Fehlen einer Rechtsgrundlage) im Registerwesen keine Anwendung findet.
Das Gericht argumentiert, dass Art. 17 Abs. 1 DS-GVO anwendbar ist, wenn „die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde“ und stellt klar, dass die Tätigkeit zur Erfüllung von Publizitätspflichten seitens des Hoheitsträgers zur Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse gehört. Zudem stellt die Ausübung ebenjener Tätigkeit eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe im Sinne des Art. 17 Abs. 3 lit. b) DS-GVO dar.
Das Gericht hat zudem auf vergangene Urteile verweisen, in denen bereits vor der DS-GVO klargestellt wurde, dass die Registerpublizität dem Persönlichkeitsschutz vorrangig ist (Europäischer Gerichtshof, Urt. v. 9.3.2017 – C-398/15). Zuletzt stellt das Oberlandesgericht fest, dass sich ein Löschungsanspruch auch aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Beteiligten nicht ableiten lässt, da Dokumente, die bereits im Registerordner eingestellt sind, zum Schutz der Registerwahrheit grundsätzlich nicht verändert werden können. Aus diesem Grund ist es nicht die Aufgabe des Registergerichts, nachträglich in freigegebene Dokumente einzugreifen.
Fazit
Das Urteil zeigt, dass die Reichweite des Rechts auf Vergessenwerden oder zumindest das Recht auf Löschung durchaus begrenzt ist. Art. 17 Abs. 3 lit. a) bis e) DS-GVO geben einen gewissen, wenn auch sehr abstrakten Aufschluss darüber. Es ist jedoch genau diese Abstraktion, die es vielen Betroffenen deutlich erschwert zu bestimmen, ob sie nun ein Recht auf Löschung ihrer Daten haben oder nicht. Auch die Gerichte tun sich zu Teilen bei derartigen Fragestellungen schwer.
Welche Gründe auch immer eine Person dazu führen, die Unterschrift aus der offiziellen Gesellschafterurkunde löschen zu lassen, insbesondere wenn die Gesellschaft noch existiert – für diesen Fall schafft das aktuelle Urteil Gewissheit und stellt klar, dass die Registerpublizität in diesem Fall sogar einen höheren Rang hat als der Schutz der Persönlichkeit.
Über den Autor: Andreas Nanos LL.M. ist Wirtschaftsjurist und als externer Datenschutzbeauftragter beim Dresdner Institut für Datenschutz tätig. Im Fokus seiner Beratungstätigkeiten liegen insbesondere Unternehmen im Speditionssektor, mittelständische Unternehmen, sowie Hochschulen und Kultureinrichtungen. Neben seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter promoviert er an der juristischen Fakultät der Karls-Universität Prag im Bereich der strafrechtlichen Verantwortung für künstliche Intelligenz. Für Anregungen und Reaktionen zu diesem Beitrag können Sie den Autor gern per E-Mail kontaktieren.