DER DATENSCHUTZ-JAHRESRÜCKBLICK TEIL II

In unserem letzten Beitrag haben wir unseren Jahresrückblick mit einem Review über die ersten vier Monate des Jahres begonnen. In unserem heutigen Beitrag wollen wir uns nunmehr den Monaten Mai bis August 2021 und einigen datenschutzrechtlich relevanten Themen in dieser Zeit widmen:


MAI 2021

Am 25. Mai 2021 jährte sich der Anwendungsbeginn der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) bereits zum dritten Mal. Bestanden in den ersten beiden Jahren die Herausforderungen insbesondere in der Bewältigung des Überraschungsmomentes sowie der Ergründung, medialen Aufbereitung und Beseitigung von Datenschutz-Mythen und Rechtsunsicherheiten, waren der daran anschließende Zeitraum hauptsächlich durch pandemiebedingte Fragestellungen geprägt. Home-Office, Kontaktnachverfolgung und Videokonferenzen – selbstverständlich inklusive der stets mitschwingenden Datenübermittlung in Drittländer – bestimmten in dieser Zeit die Arbeit aller Datenschützenden. Die Einzelheiten können in unserem Beitrag nachgelesen werden.

Im Mai 2021 erfolgte zudem die Verabschiedung des Betriebsrätemodernisierungsgesetztes. Aus datenschutzrechtlicher Sicht lohnt hier insbesondere ein Blick auf die Neuregelung in § 79a Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Der Gesetzgeber beabsichtigte zur Klarstellung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat eine gesetzliche Regelung zu schaffen. Konkret normiert wird, dass bei der Verarbeitung personenbezogener Daten der Betriebsrat die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten hat. So weit, so gut. In Satz 2 heißt es weiter: „Soweit der Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet, ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften.“ In Satz 3 wird schließlich noch hinzugefügt: „Arbeitgeber und Betriebsrat unterstützen sich gegenseitig bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften.“ Letztlich lässt sich festhalten, dass der Gesetzgeber für eine klarstellende Regelung gesorgt hat. Nicht mehr und nicht weniger. So nimmt der Gesetzgeber den Betriebsrat dergestalt in die Pflicht, dass dieser bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten hat. Darüber hinaus ergeben sich jedoch zahlreiche praxisrelevante Fragestellungen. Dies betrifft insbesondere die Erstellung des Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten gemäß Art. 30 Abs. 1 DS-GVO, Verarbeitungen von personenbezogenen Daten betreffende Tätigkeiten des Betriebsrates, die Bearbeitung von Betroffenenanfragen im Sinne des Kapitel III der DS-GVO sowie die Behandlung von und den Umgang mit Datenschutzverletzungen. In allen vorgenannten Punkten ist auch vor dem Hintergrund der Rechenschaftspflicht des Arbeitgebers als verantwortlicher Stelle im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DS-GVO in der Praxis eine enge Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitervertretung und Arbeitgeber erforderlich.


JUNI 2021

Im Juni 2021 überschlugen sich die Ereignisse aus datenschutzrechtlicher Sicht beinahe. Den Anfang machte die Europäische Kommission am 4. Juni 2021 mit der Veröffentlichung der neuen Standardvertragsklauseln (SCC) zur Absicherung für die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer. Seit dem 27. Juni 2021 können die SDK nun auch angewendet werden. Ziel der SCC ist die Erreichung von mehr Sicherheit bei der Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer – also einem Land außerhalb der Europäischen Union (EU) beziehungsweise des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Nach dem „Schrems II“-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bilden die bisherigen Standardvertragsklauseln den wesentlichen Baustein für die Übermittlung personenbezogener Daten in datenschutzrechtliche Drittländer. Waren die bisherigen Standardvertragsklauseln für Datenübermittlungen in Drittländer in den Versionen „Verantwortlicher – Auftragsverarbeiter“ und „Verantwortlicher – Verantwortlicher“ verfügbar, erscheinen die neuen Standardvertragsklauseln hingegen nur in einer Version. Dafür bieten diese einen neuen modularen Aufbau, welcher es ermöglicht, dass ein jeweils auf den Einzelfall angepasstes Vertragswerk erstellt werden kann. Bis Dezember 2022 sind in sämtlichen Vertragsverhältnissen die neuen Standardvertragsklauseln zur Anwendung zu bringen. Weitere Informationen gibt es in unserem Beitrag.

Es folgt der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 15. Juni 2021 (Az.: VI ZR 576/19) zur Reichweite des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DS-GVO. Der BGH geht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH von einem sehr weiten Verständnis des Begriffes der personenbezogenen Daten aus und lässt insoweit auf der Tatbestandsebene des Art. 15 DS-GVO keine teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches dergestalt zu, dass nur „signifikante biografische Informationen“ betroffen sind. Konkret sieht der BGH vom Auskunftsanspruch u.a. Korrespondenz zwischen den Parteien, interne (Akten-)Vermerke und Kommunikation umfasst. Außerdem sei der Auskunftsanspruch nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Daten dem Vertragspartner bereits bekannt seien.


JULI 2021

Mit einem Beschluss vom 20. Juli 2021 (Az.: 1 UF 74/21) hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass für die Verbreitung von Fotografien eines Kindes in sozialen Netzwerken grundsätzlich die Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile erforderlich ist. Der Entscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, es sich bei den sorgeberechtigten Elternteilen der Kinder um getrenntlebende Eheleute handelt, denen beide die elterliche Sorge zusteht. Die Kinder leben bei der Mutter und haben mit dem Vater regelmäßig Umgang. Die Lebensgefährtin des Vaters betreibt einen Friseursalon und nahm zu Werbezwecken Fotos der Kinder auf uns veröffentlichte diese in ihrem Facebook-Account und bei Instagram. Die Mutter der Kinder hatte von der Veröffentlichung der Aufnahmen keine Kenntnis, wohingegen der Vater einer Veröffentlichung zustimmte. Mit Kenntnisnahme der Veröffentlichung verlangte die Mutter die Entfernung der Aufnahmen, welcher der Lebensgefährtin zunächst nicht nachkam. Vielmehr stellte die Lebensgefährtin weitere Fotos der Kinder in ihre Social-Media-Accounts ein. Die Mutter ging hiergegen mit Erfolg gerichtlich vor. Das OLG Düsseldorf führt daraufhin u.a. aus, dass sich die Notwendigkeit zur Einwilligung beider Elternteile aus § 22 KunstUrhG (Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie) ergibt. Hinsichtlich der Rechtsgrundlage der Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a) DS-GVO ergibt sich dies bereits mit Blick auf die Regelung nach Art. 8 Abs. 1 DS-GVO. Darin heißt es: „Hat das Kind noch nicht das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so ist diese Verarbeitung [auf Rechtsgrundlage der Einwilligung] nur rechtmäßig, sofern und soweit diese Einwilligung durch den Träger der elterlichen Verantwortung für das Kind oder mit dessen Zustimmung erteilt wird.“ Dementsprechend komme es grundsätzlich auch nicht darauf an, ob die Kinder in die Bildveröffentlichung einwilligen. Eine solche Einwilligung würde nämlich nichts daran ändern, dass die erforderliche Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile in die Bildverbreitung fehlt. Weitere Details können unserem Beitrag zum Thema entnommen werden.


AUGUST 2021

Je weiter der Sommer voranschritt desto häufiger trat in der Rechtswelt wieder die Corona-Pandemie auf den Plan. Umstände, die man in der warmen Jahreszweit versuchte auszublenden, hielten langsam wieder Einzug in betriebliche und behördliche Praxis. Den Anfang machten Fragen um die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen von Testnachweisen, die Verarbeitung von Gesundheitsdaten der Beschäftigten sowie Datenverarbeitung bei der Kontaktnachverfolgung. Die einzelnen Themen haben wir bereits in einem unserer Beiträge näher beleuchtet. Wie sich an späterer Stelle noch zeigen wird, waren dies zunächst die ersten leichten Diskussionen rund um Datenverarbeitungen den Immunisierungs- und Teststaus betreffend.

Darüber hinaus wurde durch eine Pressemitteilung vom 16. August 2021 bekannt, dass der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) die Senatskanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) offiziell gewarnt hat, die Videokonferenzlösung von Zoom Inc. in der sog. on-demand-Variante zu verwenden: „Dies verstößt gegen die DS-GVO, da eine solche Nutzung mit der Übermittlung personenbezogener Daten in die USA verbunden ist. In diesem Drittland besteht kein ausreichender Schutz für solche Daten. Die Senatskanzlei – als die für Digitalisierungsfragen in der FHH federführend zuständige Behörde –hat den HmbBfDI zwar frühzeitig über entsprechende Pläne informiert, war in der Folge aber nicht bereit, auf dessen wiederholt vorgetragene Bedenken einzugehen. Auch die Einleitung eines formalen Verfahrens durch Anhörung der Senatskanzlei am 17.6.2021 führte nicht zu einem Umdenken. Es wurden dem HmbBfDI weder innerhalb der gesetzten Frist noch danach Unterlagen vorgelegt oder Argumente mitgeteilt, die eine andere rechtliche Bewertung zuließen. Die formale Warnung nach Art. 58 Abs. 2 lit. a DSGVO ist daher ein folgerichtiger Schritt.“

In der nächsten Woche folgt nun der Rückblick auf die Monate September bis Dezember 2021. In dem letzten Beitrag unseres Jahresrückblickreihe widmen wir uns dann den Themen TTDSG, Verarbeitung von Immunisierungs- und Testdaten von Beschäftigten und der im Dezember 2021 aufgetretenen Log4j-Sicherheitslücke sowie einem Ausblick auf den Wechsel an der Spitze im Haus der sächsischen Datenschutz-Aufsichtsbehörde.

Über den Autor: Alexander Weidenhammer ist Rechtsanwalt und als externer Datenschutz- und Informationssicherheitsbeauftragter beim Dresdner Institut für Datenschutz tätig. Im Fokus seiner Beratungstätigkeiten liegen insbesondere Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien, mittelständische Unternehmen sowie Vereine. Für Anregungen und Reaktionen zu diesem Beitrag können Sie den Autor gern per E-Mail kontaktieren.