Nun ist es (endlich) so weit: Seit dem 1. Dezember 2021 ist das Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) in Kraft. Über die Entwicklung und den Weg des TTDSG haben wir bereits früher berichtet (hier, hier und hier). Grob lässt sich zusammenfassen, dass das Gesetzgebungsverfahren, sagen wir recht zügig sein Ende fand. Eventuell lässt sich hierin der Auslöser entdecken, dass die Diskussionen über etliche rechtlichen und praktischen Fragestellungen, die das TTDSG mit sich bringt, an Fahrt aufgenommen haben.
Neben dem offensichtlichen Anwendungsfall für Internetseiten, zu denen die Landesaufsichtsbehörden zum einen verstärkte Kontrollen und zum anderen eine überarbeitete Orientierungshilfe in Aussicht gestellt haben, ergeben sich eine Reihe weitere Fragen. Eine neue rechtliche Betrachtung bedarf künftig unter anderem der Einsatz von Videokonferenzdienste, da diese als Telekommunikationsdienste im Sinne des TTDSG anzusehen sind. Hierüber haben wir ebenfalls bereits berichtet.
Eine weitere Problematik stellt sich mit Blick auf die Beschäftigtenverhältnisse. Die Rede ist von der Privatnutzung betrieblicher Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) durch Beschäftigte, genauer gesagt die damit einhergehenden Kontroll- und Einsichtsrechte seitens der Arbeitgeber. Den Auslöser und die Behandlung der erneuten Dynamik dieser Problematik soll der nachfolgende Beitrag näher beleuchten.
WORUM GEHT ES EIGENTLICH?
Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage, ob und inwiefern der Arbeitgeber seinen Beschäftigten die Privatnutzung betrieblicher IuK gestattet hat und ob er in diesen Fällen das Fernmeldegeheimnis zu wahren hat. Zunächst lohnt hierzu der Blick auf § 3 Abs. 1 TTDSG, welcher das vormals in § 88 TKG a.F. anzutreffende Fernmeldegeheimnis regelt:
„Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche.“
Wer zur Wahrung des Fernmeldegeheimnis nach Abs. 1 verpflichtet ist, regelt § 3 Abs. 2 TTDSG:
„Zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses sind verpflichtet
1. Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sowie natürliche und juristische Personen, die an der Erbringung solcher Dienste mitwirken,
2. Anbieter von ganz oder teilweise geschäftsmäßig angebotenen Telekommunikationsdiensten sowie natürliche und juristische Personen, die an der Erbringung solcher Dienste mitwirken,
3. Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und
4. Betreiber von Telekommunikationsanlagen, mit denen geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbracht werden.
Die Pflicht zur Geheimhaltung besteht auch nach dem Ende der Tätigkeit fort, durch die sie begründet worden ist.“
Wesentlich für die Betrachtung der Privatnutzungsproblematik sind die Anbieter von ganz oder teilweise geschäftsmäßig angebotenen Telekommunikationsdiensten nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TTDSG. Nach § 88 Abs. 2 Satz 1 TKG a.F. waren bisher zu Wahrung des Fernmeldegeheimnisses Diensteanbieter verpflichtet. Diensteanbieter war nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 6 TKG a.F. jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt (lit. a)) oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt (lit. b)). Unter Geschäftsmäßigkeit verstand man mit § 3 Nr. 10 TKG a.F. das nachhaltige Angebot von Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht. Nach der herrschenden Meinung zur bisher geltenden Rechtslage wurde ein Arbeitgeber, der den Beschäftigten seines Betriebes die Privatnutzung der betrieblichen IuK gestattet hatte, als ein solcher geschäftsmäßiger Diensteanbieter qualifiziert, da die Nutzung nachhaltig für private Zwecke erlaubt wurde. Dieser Ansicht folgten insoweit ebenfalls die Datenschutz-Aufsichtsbehörden.
Wie der Kollege Hansen-Oest in seinem Beitrag bereits treffend dargestellt hat, wäre die gesamte Situation vermeidbar gewesen, hätte denn der Gesetzgeber entsprechend den kritischen Stimmen aus der Fachwelt gelauscht, die bereits frühzeitig auf die Problematik hingewiesen haben.
WIESO IST DAS PROBLEMATISCH?
Die Entwurfsbegründung zum TTDSG ist zu § 3 zu entnehmen: „§ 3 enthält die derzeit in § 88 TKG enthaltene Regelung zum Fernmeldegeheimnis, die bis auf redaktionelle Anpassungen unverändert übernommen wird. Die Regelung setzt Artikel 5 Absatz 1 der E-Privacy-Richtlinie um.“ Und hier offenbart sich die tatsächliche Problemstellung: Art. 95 DS-GVO eröffnet das Verhältnis zwischen Datenschutz-Grundverordnung und ePrivacy-Richtlinie „nur“ für öffentlich zugängliche Kommunikationsdienste. Darüber hinaus bezieht sich Art. 3 Abs. 1 ePrivacy-RL auf die „Verarbeitung personenbezogener Daten in Verbindung mit der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste in öffentlichen Kommunikationsnetzen“. Der in der Entwurfsbegründung in Bezug genommene Art. 5 Abs. 1 ePrivacy-RL verpflichtet seinerseits die Mitgliedstaaten zur Sicherstellung der Vertraulichkeit der mit öffentlichen Kommunikationsnetzen und öffentlich zugänglichen Kommunikationsdiensten übertragenen Nachrichten und der damit verbundenen Verkehrsdaten. Für die in Rede stehenden geschäftsmäßigen angebotenen Telekommunikationsdienste findet sich insoweit kein Regelungsspielraum. Dies tritt noch deutlicher hervor, da in der vorbezeichneten Entwurfsbegründung offenkundig zwischen öffentlich zugänglichen und geschäftsmäßig angebotene Kommunikationsdiensten differenziert wird. Erschwerend tritt hinzu, dass mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 die Regelungen des § 3 Nr. 6 und Nr. 10 TKG a.F., welche wie dargestellt Definitionen zu Diensteanbietern und Geschäftsmäßigkeit enthielten, entfallen. Das TTDSG definiert die Begrifflichkeiten nicht.
Es darf mithin bezweifelt werden, dass zur Regelung des Adressatenkreises unter Einbeziehung der Anbieter von geschäftsmäßig angebotenen Telekommunikationsdiensten und zur Anwendung des Telekommunikationsdatenschutzes auf diese Art von Anbieter seitens des deutschen Gesetzgebers ein entsprechender Regelungsspielraum bestand. Dogmatisches Ergebnis wäre eine Verdrängung der Regelungen durch die Datenschutz-Grundverordnung und eine Anwendung selbiger, insbesondere bei Datenverarbeitung im Rahmen von Kontrollrechten seitens des Arbeitgebers bei Fragen der Privatnutzung betrieblicher IuK.
WELCHE AUSWIRKUNGEN HÄTTE EINE ANWENDUNG DER DS-GVO AUF DIE PRIVATNUTZUNGSFÄLLE?
Argumentiert wird diesbezüglich, dass die betroffenen Beschäftigten bei einer Nichtanwendung des Fernmeldegeheimnisses keines Weges schutzlos gestellt würden. Unter anderem käme zum Tragen, dass bei den entsprechenden Datenverarbeitungen die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (und des Bundesdatenschutzgesetzes), insbesondere der Art. 5 und Art. 32 DS-GVO zu wahren wären. Bei einer Nichtbeachtung drohen gleichfalls empfindliche Strafen im Rahmen des Art. 83 DS-GVO.
FAZIT
Für die Praxis dürfte der dogmatische Streit vorerst weniger Auswirkungen haben, da die Regelungen des TTDSG und mithin auch § 3 zunächst einmal in Kraft sind und ihre Wirkung entfalten. Mit Blick auf die Brisanz der Thematik der Privatnutzung betrieblicher IuK erscheint es ratsam eine ausdrückliche Regelung zu treffen, um die Privatnutzung nicht zu dulden und mithin zu gestatten. Insofern die unternehmerische Entscheidung pro erlaubte Privatnutzung ausfällt sind gleichfalls Erlaubnisrahmen und Kontrollmöglichkeiten entsprechend zu regeln. Unter Beachtung datenschutzrechtlicher Gesichtspunkte erscheint es ferner ratsam die Privatnutzung (zumindest des betrieblichen E-Mail-Accounts) zu untersagen.
Über den Autor: Alexander Weidenhammer ist Rechtsanwalt und als externer Datenschutz- und Informationssicherheitsbeauftragter beim Dresdner Institut für Datenschutz tätig. Im Fokus seiner Beratungstätigkeiten liegen insbesondere Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien, mittelständische Unternehmen sowie Vereine. Für Anregungen und Reaktionen zu diesem Beitrag können Sie den Autor gern per E-Mail kontaktieren.